Literarische mittagspause

Im November jeden Jahres liest der Schriftsteller Ernst Heimes ca. 60 Minuten aus einem seiner Werke vor.

 Dieses Jahr liest der Autor aus seinem Roman ,,Inmitten von allem der Fluss''.

Veranstaltet wird die Lesung vom SGD Nord in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Heimes und dem Kultur- und Schulverwaltungsamt.

Leseprobe:

"Frühjahr 1956.

Schon wieder sitzt er im Keller, der alte Dores, in seinem selbstgewählten Asyl auf der Suche nach Ruhe. »Dou Scheißkerl! Dou Dreckshund, dou dreckijer!« Das ewige Geschrei der Alten! Ihr Gezeter! Inzwischen ist es fast jeden Tag zu hören. Vor keiner, auch noch so üblen Beschimpfung scheut sie zurück. Lässt ihrer Tollwütigkeit freien Lauf. Schmeißt Gegenstände an die Wand, die zerscheppern und in tausend Teilen durch den Raum fliegen. Sie beißt, spuckt, schlägt wahllos um sich, greift ihn sofort an, wenn er mit mutlosen Worten beruhigend auf sie zugehen will. Stühle fliegen in die Zimmerecke, mit Wucht reißt sie den Tisch herum, dass dieser die Beine in die Höhe streckt, wie ein Tier in Totenstarre. Wehe! Nur nicht in ihre Nähe geraten, wenn ein Tobsuchtsanfall sie heimsucht. Klingt dieser ab, dann ist sie noch stundenlang aggressiv, missstimmig, ja, gefährlich. Für sich selbst und für ihn. Seit sie aus der Andernacher Anstalt zurück ist, verlässt sie kaum noch das Haus, kaum noch die Wohnung im ersten Stock. Sie klettert ein paar Mal am Tag die Treppe hinunter ins Parterre. Dort ist das Klo, das sich die Hausbewohner teilen, dahinter das Badezimmer, in dem samstags der Badeofen geheizt wird."

(Textauszug aus Ernst Heimes: Inmitten von allem der Fluss)


Über das Buch:

In seinem Werk "Inmitten von allem der Fluss" erzählt Ernst Heimes, inspiriert von seiner eigenen Familiengeschichte, mit Tiefe und Witz von Menschen während der vielen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umwälzungen in mehr als Hundert Jahren.

Er erzählt vom Aufwachsen in Zeiten des Krieges, von einer Kindheit in den 1950er und 1960er Jahren, von der Suche nach Herkunft und Heimat und der Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit.


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